Das Album der Woche: Zeal & Ardor mit Stranger Fruit

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Zeal & Ardor legen mit „Stranger Fruit“ das zweite Album vor. Das Debüt spaltete die Republik. Während Black Metal Freunde zutiefst geschockt waren, wie der Schweizer mit ihrem Genre hantierte, jubelten andere über die Einzigartigkeit seiner Musik. Selbst Slash verneigte sich vor dem Mann und seiner Arbeit. „Stranger Fruit“ geht noch einen Schritt weiter und ist zurecht das Album der Woche bei EMP.

Was 2016 Manuel Gagneux widerfahren ist, war eher in glücklicher Umstand. Mit „Devil Is Fine“ schaffte der Schweizer etwas, was man bis dahin noch nie zuvor hören konnte. Eine Mischung aus Black Metal und Gospel. Ein Klumpen an Album, welches so durchtränkt war von Schmerz und mit einer gedrückten Stimmung daher kam, dass man die Baumwolle regelrecht selbst pflückte mein Durchhören. Es war ein Album, welches Black Metal-Anhänger bis aufs Mark erschütterte und auf die Barrikaden rief. Blasphemie in einem Genre, in welchem Gott man so vergeblich sucht, wie bei einer Nutte die Keuschheit? Ja, so war es und das diabolische Lachen des Herrn Gagneux war in der ganzen Musikwelt zu hören. Er hatte es geschafft, eines der bewegendsten Alben des Jahres 2016 zu schreiben und dies quasi im Alleingang. Er brachte eine Dunkelheit über uns herein, welche seinesgleichen suchte. Eine mysteriöse Atmosphäre, die bedrückend war und man im gleichen Zuge liebgewinnen musste. Es folgten umwerfende Auftritte von Zeal & Ardor, was im Umkehrschluss bedeutete, dass sich der Einzelkämpfer auf Musiker einlassen musste, die ihn hierbei unterstützen. Und genau hier setzt das neue Album an.

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Manuel Gagneux ist der Kopf hinter Zeal & Ardor. Zweifelsohne ein musikalisches Genie. (c) Stian Foss

Aus der Solonummer wird eine Band

Mit einer Liveband bestückt, muss man Zeal & Ardor mit ihrem neuen Album „Stranger Fruit“ als Band ansehen, wenn auch der Dreh- und Angelpunkt nach wie vor Gagneux ist. Mit 16 Songs bestückt, ist der Spagat zwischen Tod, Verderben und Dunkelheit noch gravierender, als beim Debüt. Bereits beim Intro und dem nachfolgenden Stück „Gravedigger’s Chant“ macht sich diese Tatsache im Ohr des Hörers breit. Wo das Intro behaglich beginnt, um dann Black Metal-geschwängert zu enden, beißen sich die wiederholenden Worte „bring the dead Body down“ unweigerlich im Gehörgang fest. Und dabei startet der Song doch so dezent mit einem Klavier, welches sich als wesentliches Instrument des Songs erweist. Ruppiger wirkt der Sound, dichter und mit mehr Raffinessen gespickt. Wo man sich bisher damit anfreunden musste, dass der Gospel-lastige Sound im Fokus steht, arbeitet Zeal & Ardor nach und nach das ab, was man beim Debüt nicht bedienen konnte – oder wollte.

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So sieht die verbotene Frucht aus. Isst man von ihr, wird man wahrhaftig infiziert sein.

Die Grenzüberschreitung der Genre wird noch wahnwitziger

„Fire Of Motion“ erweist sich als wahrer Brandstifter und agiert mit sich überschlagenden Black Metal-geschwängerten Blast Beats. Gagneux in seinem Element, wie man herrlich vernehmen darf. Fauchend geht der Wuschelkopf zu Werke, verliert sich in einer Trance und versohlt einem mit einem monotonen „and we will face to the east, to bring our best to the beast“, bevor sich seine Stimme regelrecht überschlägt. Wie ein wildes Tier, welches sich gegen einen vermeintlichen Peiniger zu wehren versucht. Wild um sich schlagend, bedarf es auch keiner zweieinhalb Minuten, um den Hörer glückselig und sprachlos in die Sound-Collage „The Hermit“ zu entlassen. Mit Vogelgesang und harmonischen Chören eine regelrechte Oase der Ruhe, die aber nur als Verschnaufpause zu verstehen ist. „Row Row“ wirkt stark nach Clapping Hands, bevor auch hier wieder der Black Metal bis zum Exzess gelebt wird. Und dennoch bleibt eine Eingängigkeit, die eben dieses Genre in der Regel nicht vorweisen kann. Schmissige Gitarren-Parts, die sich ekstatisch in Headbanger-Parts entladen, um dann wieder den Teufel in Form von markerschütterndem Geschrei aufleben zu lassen.

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Selbst Slash feiert den Mann ab, der Black Metal mit Gospel kombiniert und was Einzigartiges schafft. (c) Stian Foss

Zeal & Ardor machen so verdammt viel richtig

Insgesamt wird „Stranger Fruit“ viel abwechslungsreicher und dem Wahnsinn erschreckend nahe. Zeal & Ardor verstehen es meisterhaft, Genre verschmelzen zu lassen und zu einem einzigartigen Sounderlebnis zu machen. So ist „Ship On Fire“ streckenweise sogar radiotauglich, wobei „We Can’t Be Found“ der vertonte Wahnsinn ist. Bekanntlich liegen Genialität und Wahnsinn eng beieinander, wobei hier der Wahnsinn in äußerst positiver Art und Weise zum Tragen kommt. Zeal & Ardor wurde keine Daseinsberechtigung zugesprochen. Man attestierte dem Mann, dass das Debüt eine einmalige Sache wäre, da es einfach zu sehr ein „Hype“ wäre. Nun, mit dem Album „Stranger Fruit“ zeigt der Schweizer, dass er noch lange nicht am Ende seiner musikalischen Reise ist. Wo Black Metal vielleicht schon lange den letzten Zahn verloren hat, da sind Manuel Gagneux gerade zig teuflische Zähne gewachsen, die sich nun erbarmungslos in euer Fleisch verbeißen.

Kategorien: musik Peter

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